Dick einmummeln oder aufs Winterfell vertrauen? Mehrmals wurde mir in letzter Zeit die Frage gestellt, ob Pferde im norddeutschen Winter Decken brauchen. Seit einigen Jahren ist es vielerorts üblich, Pferde so vor der vermeintlichen Kälte zu schützen. Aktuell tobt eine teils emotionale Diskussion der Deckenbefürworter gegen die Puristen, die für die Natur plädieren.
Viele Pferdebesitzer schließen von sich aufs Pferd, was Wohlfühltemperaturen angeht. Dabei können sich die Huftiere viel besser an klimatische Gegebenheiten anpassen, als man glauben möchte. Bei Außentemperaturen zwischen fünf und 25 Grad ist es für sie völlig problemlos, die eigene Körpertemperatur stabil zu halten. Und erst bei minus zehn Grad erhöhen sie zwecks interner Wärmeproduktion den Stoffwechsel. „Pferde, die artgerecht gehalten werden und deren Thermoregulationsmechanismus funktioniert, erkälten sich nicht, auch dann nicht, wenn sie in Zugluft stehen oder nass sind. Gesunde und artgerecht gehaltene Pferde brauchen also keine Decke,“ erklärt der Fachtierarzt für Pferde Dr. Maximilian Pick gegenüber der Webseite www.dressur-studien.de.

Wie arbeitet eigentlich die Thermoregulation? Nicht nur das Fell spielt eine Rolle. Ganz wichtig ist die Fettschicht unter der Haut. Pferde in freier Natur nehmen zur dunklen Jahreszeit bis zu 20 Prozent an Gewicht zu. Der Winterspeck ist gleichmäßig über den Körper verteilt und erfüllt die Anforderungen einer Dämmung. Ein weiterer Aspekt ist das Winterfell. Durch seine Dichte bindet es eine Luftschicht, die als zusätzliche Dämmschicht fungiert. Dazu werden mittels der Haarbalgmuskeln die Haare in unterschiedliche Richtungen aufgestellt. Decken können diesen Mechanismus empfindlich stören. Auch in der Durchblutung gibt es Hilfe für die Temperaturregulation. Um Auskühlung zu verhindern, werden die Gefäße nahe der Körperoberfläche verengt, was den Blutfluss verringert und weniger Kälte ins Körperinnere transportiert.
Mit diesen Regulationsmechanismen schützt sich das Pferd vor niedrigen Temperaturen und kann Wind und Wetter bestens trotzen. Feuchtigkeit von außen ist ein geringeres Problem als Schweiß auf der Haut. Wer sein Pferd im Winter arbeitet bis zur Schweißproduktion, sollte es anschließend gut trockenreiten. Decken verhindern im Prinzip den Abtransport der Feuchtigkeit, so dass das Fell erst nach langer Zeit trocknet. In dieser Phase kann es zur Auskühlung des Körpers kommen, weil Nässe gut Temperatur leitet.
Andersherum können Decken für einen unangenehmen Wärmestau sorgen. Messungen ergaben, dass je nach Deckenart die Temperatur der Körperoberfläche um bis zu 15,8 Grad stieg. Das kann die Wohlfühlzone des Pferdes deutlich überschreiten und verhindert seine körpereigene Thermoregulation.
Zurück zur Frage – soll ich oder soll ich nicht? Wer bisher sein Huftier eingedeckt hat, sollte im aktuellen Winter dabei bleiben, denn vermutlich hat sich die Thermoregulation des Pferdes über den Herbst nicht ausreichend trainiert. Ab nächsten Spätsommer kann man seinem gesunden Pferd zutrauen, die Körpertemperatur weiterhin selbständig zu kontrollieren – auch in der kalten Jahreszeit. Nur regelmäßig hart arbeitende Pferde haben Vorteile durch eine Schur und wärmende Decken.