
Garantiert hohes Streitpotential unter Hundehaltern bietet das Thema der Kastration. Von „niemals“ über „bloß nicht zu früh“ bis „unbedingt und jederzeit“ reichen die Meinungen. Gestützt wird sich dabei auf Vorurteile, auf aktuelle oder schon überholte Fakten oder einfach auf das Bauchgefühl.
Grundsätzlich hat sich die allgemeine Ansicht stark geändert. Bis vor wenigen Jahren wurde völlig unkritisch kastriert. Wünschte der Hundehalter den Eingriff für sein Tier, stieß er nur bei wenigen Tierärzten auf Bedenken. Im Gegenteil, die meisten Veterinäre befürworteten und empfahlen vehement die Entfernung der Fortpflanzungsorgane, ergaben sich doch scheinbar dadurch nur Vorteile.
Heute, nach mehreren Jahrzehnten großzügigen Skalpelleinsatzes, dreht sich die Meinung. Das Versprechen, dass viele Verhaltensauffälligkeiten durch die Kastration eliminiert würden, ließ sich in vielen Fällen nicht einhalten. Im Gegenteil – kastrierte Rüden und Hündinnen zeigten einen Hang zu ganz neuen Psychoticks.
Und auch die körperliche Gesundheit erfuhr nicht nur positive Unterstützung. Schon vor einigen Jahren wiesen erste Studien darauf hin, dass bei kastrierten Hunden die Tendenz zu Gelenkerkrankungen deutlich anstieg. Andere Untersuchungen zeigten statistisch ein erhöhtes Krebsrisiko. Dabei hatte es doch immer geheißen, dass Hündinnen durch die Entfernung von Gebärmutter und Eierstöcken viel seltener an Mammatumoren litten? Und was ist mit der Inkontinenz? Sind wirklich so viele kastrierte Hündinnen im Alter „nicht ganz dicht“?
Tatsächlich wurde in früheren Studien meist nur „der gemeine Hund“ genannt. Einen Zusammenhang zwischen Rassen und Erkrankungsrisiko hatte bisher selten jemand untersucht. Dies wurde nun durch eine Auswertung der Patientenkartei des Veterinary Medical Teaching Hospital der University of California, Davis, nachgeholt. Man analysierte die Daten von hunderten von intakten und kastrierten Hündinnen und Rüden aus 35 verschiedenen, populären Rassen. Dabei richtete man das Augenmerk auf Gelenkerkrankungen, verschiedene Krebsarten und Harninkontinenz. Es ging nicht nur darum, ob Hunde verschiedener Rassen unterschiedliche Krankheitsdispositionen zeigen. Vor allem wollte man herausfinden, wie sehr das Alter beim Eingriff die Entstehung der Leiden begünstigt.
Als Ergebnis wurde diesen Sommer eine rassenspezifische Empfehlung zum Kastrationsalter der verschiedenen Hunderassen veröffentlicht. Man fand nämlich heraus, dass bei manchen Rassen eine Frühkastration die Gefahr von Gelenkschäden deutlich vergrößert. Bei anderen Rassen war das Alter des Eingriffs in Zusammenhang mit der Entstehung bestimmter Krebserkrankungen zu finden.
Eine Schwachstelle der Auswertung war, dass nicht alle erfassten Patienten bis zum Lebensende beobachtet werden konnten. Dies hätte möglicherweise klarere Zahlen besonders im Hinblick auf altersbedingte Erkrankungen gebracht. Trotzdem ist das Ergebnis, eine Tabelle mit der Empfehlung zum günstigsten Kastrationsalter, eine große Hilfe bei der Frage, wann der Eingriff die wenigsten Risken nach sich zieht. Zur grundsätzlichen Überlegung, ob man sein Tier intakt lässt, bringen die Details der Studie ebenfalls eine Entscheidungshilfe. Sie finden diese hier im englischen Original.
Übrigens: Die Harninkontinenz – nicht nur der kastrierten Hündin – lässt sich in vielen Fällen durch eine homöopathische Behandlung kontrollieren. Vereinbaren Sie gerne einen Termin mit mir!